Schulleiter a.D. Dumonts Tagebuch

Tag 583 der Baustelle

Im Unterschied zum Rohbau waren heute meine Autofenster eingefroren. Da hat sich wohl etwas Feuchtigkeit zwischen den Gummis eingeschlichen und die gefriert natürlich bei diesen tiefen Temperaturen. Im Rohbau klaffen ja noch alle Fenster- und Türöffnungen leer auf Hof und Schafweide, da kann nichts eingefrieren. Es ist auch derzeit niemand zu sehen. Kein Wunder bei zweistelligen Minusgraden während der Nacht. Der Bau ruht.

Tag 781 der Baustelle

Still ruht der Rohbau, nach langem Regen, jetzt in Eis und Schnee, trist und grau ragt der Beton in die Höhe, nichts passiert, nichts geht voran. Da wunderte ich mich über die Baubesprechung, die dennoch stattfand. Jedenfalls sah ich Menschen mit Ordnern, Papieren und Plänen außen am Bauzaun stehen, also keine Handwerker.

Ich selbst nahm auch an einer teil heute. Allerdings am Standort Wachenheim und wegen einer wesentlich geringeren Baumaßnahme. Bereits in zwei Wochen soll es losgehen: Der Standort erhält im Zuge der energetischen Sanierung komplett neue Fenster. Diese „Operation“ wird am offenen Herzen bei Schulbetrieb stattfinden und will daher genau geplant werden. Immerhin sind zwei Schulen und alle Räume, einschließlich der Treppenhäuser davon betroffen, aus denen diese tristen Glas-Beton-Steine verschwinden werden. Also: Die Nordseite ist zuerst dran. Dort liegen nur ein Klassenzimmer der Grundschule und die verschiedenen Verwaltungsräume. Müsste also gehen. Im Obergeschoss der Kunstsaal und der Computerraum – müsste auch passen. Problematischer wird die Südseite werden, denn dort liegen die Klassenräume. Der Unterricht wird daher in andere Räume verlegt werden, sofern sie vorhanden sind – vermutlich tageweise neu geplant, denn Verzögerungen gibt es immer. Enge Feinabstimmung wird dazu vonnöten sein. Wenn es so laufen wird, wie heute besprochen, kommen wir da gut hin und aneinander vorbei und bis nach den Osterferien soll alles fertig sein. Das heißt: Ob die neuen Fensterbänke dann auch schon drin sein werden, steht noch auf einem anderen Blatt. Schade, jetzt im Fernunterricht wäre das alles besser zu stemmen gewesen. Aber lange geplante, genehmigte und ausgeschriebene Bauvorhaben gehen nicht Hand in Hand mit den Maßnahmen der Landesregierung angesichts einer Pandemie.

Tag 579 der Baustelle

Wie erwartet, beschäftigte ich mich heute viel mit dem Aufnahmeverfahren. Seltsam ist, dass manche Familien die Post erst heute erhalten haben. Alle Briefe gingen aber komplett auf einmal letzten Freitag zur Post. Sollte es in einer einzigen Kommune solche Unterschiede geben? Nun ja, die Anrufe sind nicht einfach wegzustecken. Zum einen gehen sie mir sehr nah, weil immer wieder Kinder enttäuscht werden, die sich so auf die IGS gefreut haben. Und ja, auch Geschwisterkinder sind darunter, die gehofft haben und die nun enttäuscht wurden. Und die Anmeldezahl war in diesem Jahr wieder so hoch, dass nicht alle Kinder bis Notensumme sieben einen Platz erhielten. Dann lege ich den Hörer auf und suche meine professionelle Distanz, die hierin gefordert ist. In der Regel kann ich den Gesprächen, versonnen im Blick auf den Haardtrand, nicht lange nachhängen. Anderes durchbricht meine Gedanken, der Tag, die Schule und das Leben müssen ja irgendwie weitergehen. Vielleicht wird dies das Schönste an der Pensionierung: Diese Nachanmeldewoche nicht mehr durchstehen zu müssen…

Tag 576 der Baustelle

Gestern fand das Losverfahren statt. Alles lief seinen gewohnten Gang und der Aufnahmeausschuss konnte mir eine ausgewogene Zusammenstellung zur Aufnahme vorlegen. Denn nach wie vor gilt: Der Schulleiter selbst darf nicht am Losverfahren teilnehmen. Heute haben wir nochmals drüber geschaut und ich habe ausgiebig das Protokoll studiert. Dieses geht dann an die Schulaufsicht und muss in allen Zahlen, Quersummen und Prozentanteilen stimmen, sonst gibt es Rückfragen und die muss ich beantworten können. Etwa vor Jahren: Weshalb haben Sie eine Anmeldung berücksichtigt, die von außerhalb des Landkreises stammt? Damals war es eine Schülerin, der über die Geschwisterregelung aufgenommen wurde. Die Familie war inzwischen aber umgezogen, ich glaube nach Mussbach. Die Juristen der Schulaufsicht finden aber auch andere Einzelheiten, etwa: Die Aufnahme aus dem oder jenem Ort spiegelt nicht das Anmeldeverhalten insgesamt wider. Da muss ich dann Rede und Antwort stehen. Aber auch das diesjährige Protokoll mit den verschiedenen quer zu lesenden Tabellen ist stimmig und ich erwarte, wie in den letzten Jahren auch, keine Rückfragen. Inzwischen weiß ich ja, worauf es ankommt. Heute gingen bereits die Zu- und Absagen auf die Post. Das bedeutet, dass wir wieder viel Traurigkeit und Enttäuschung verursachen, freilich auch mehr Freude bei denen, die einen Platz erhalten haben. Die Gruppe der Erfreuten ist ja ein gutes Stück größer, aber sie meldet sich in den wenigsten Fällen. Es sind eher die Verzweifelten, die um Rat und Hilfe ersuchen, irgendeinen Hoffnungsschimmer suchen, um doch noch eine Aufnahme zu erzielen. Da wird wieder manches Telefonat zur pädagogischen Beratung anstehen. Keine schöne Zeit, kann ich doch kaum Abhilfe schaffen.

Tag 574 der Baustelle

So, die Anmeldung 2021 ist abgeschlossen. Es war dies eine heftige Runde, denn seit neun Jahren hatten wir nicht mehr so viele Interessenten. Die finale Zahl landete bei 197 Anmeldungen – eine stolze Zahl für uns. Zum einen kann dieses rege Interesse uns nur erfreuen, denn es zeigt ja letzten Endes, wie viele Familien unserem Konzept vertrauen und sich dieses für ihre Kinder vorstellen können. Auf der anderen Seite steigt damit natürlich auch die Anzahl derer, die durch eine Absage traurig und enttäuscht sein werden. Dann schauen wir mal, wie morgen das Losverfahren läuft, denn aus den 197 Anmeldungen sind aus den drei Lostöpfen mit vorgegebenen Quoten 112 Schülerinnen und Schüler zu losen, die irgendwie auch noch gleichmäßig auf die Orte, Geschlechter und Konfessionen verteilt sein müssen. Erfreulich ist die hohe Anzahl von Interessenten für die Bandklasse. Ob die Artikel und der Videofilm auf der Homepage derart durchgeschlagen haben? Richtig erfahren werden wie das wohl nicht. Also bleibt nur eine „stille“ Freude darüber. Da wird jetzt ein Infoabend letzte Klarheit schaffen.

Tag 572 der Baustelle

Vergangenen Samstag zu sechst und heute immer noch zu viert versuchen wir das Anmeldeverfahren coronagerecht zu gestalten. Vor allem galt es natürlich, die lange Warteschlange auf dem Flur zu vermeiden – bis zu eineinhalb Stunden mussten samstags die „angestürmten“ Eltern mit ihren Kindern warten. Also hatten wir online die Möglichkeit geschaffen, im 15-Minuten-Takt Termine zu vereinbaren. Zudem hatten wir „Türsteher“ am Eingang postiert, damit nicht wahllos Menschen ins Gebäude strömen. Zudem galt die „Einbahnstraßenregelung“: Am Haupteingang rein und hinten durch die Nottür wieder heraus, damit sich niemand begegnet. In den Unterrichtsräumen, in denen die Anmeldgespräche stattfanden, hatten wir zusätzlich Plexiglasscheiben aufgestellt (vielfach als „Spuckschutz“ bezeichnet, wobei die wenigsten Menschen ja wirklich spucken, aber die Aerosole konnten so weitgehend eliminiert werden, zumal wir ständig gelüftet und Masken getragen haben). Insgesamt also dem Virus jeden leichten Weg verstellt. Im Grunde funktionierte das alles bestens. ABER (mit Absicht großgeschrieben), denn was waren das für Gespräche? Hygienisch unbedenklich, pädagogisch allerdings äußerst fragwürdig. Keinem Kind ins Gesicht sehen könnend, kein Händeschütteln, um Kontakt herzustellen, kein Elternteil in seiner Mimik beobachten könnend, schon sehr seltsam und fremdartig. Wo bisher der direkte Kontakt die Kinder oft durch Handauflegen gelockert hatte, jetzt ein starres und verengendes Gespräch. Natürlich versuchte ich, durch Worte eine ähnlich humorvolle und wertschätzende Atmosphäre herzustellen, aber ob es wirklich gelang? Diese Anmeldegespräche zeichnen sich ja eh dadurch aus, dass in einer sehr kurzen Zeitspanne eine offene und auflockernde Atmosphäre im 15-Minuten-Takt geschaffen werden muss. Aber nie tickte bisher die Uhr so erbarmungslos die Zeit herunter, bis die nächste Familie die Türsteher passiert hatte und vor der Tür standen. Fremd eben, anders kann ich es nicht aussagen.

Tag 569 der Baustelle

Heute ist der eigentliche Tag der Zeugnisausgabe nach den gesetzlichen Vorgaben. Wir sind schon fast durch gewesen, denn heute waren nur noch die zehnten und elften Klassen da. Die einen sind auf dem ehemaligen Parkplatz vorne untergebracht, die anderen in den neuen Containern auf dem Schulhof bei der Baustelle. Kein Problem also, die Abstandsregeln und die getrennten Wege einzuhalten. Bisher habe ich nicht ein Problem zu hören bekommen, alles ist prima verlaufen. Fast ein kleines Stück schulischer Alltag. Ich glaube, dass diese Erfahrung eine ganz wichtige ist. Alles, was „normal“ erscheint, hilft diese Zeiten zu überstehen. Ich schrieb dem Kollegium diese Woche: „Je professioneller uns die Schülerinnen und Schüler erleben, umso besser werden sie durch die Krise kommen. Gerade jetzt benötigen die jungen Menschen auf ihrer Suche ins Leben Halt, Orientierung und starke Erwachsene.“ 

Tag 567 der Baustelle

Die Baustelle leert sich immer mehr, die großen Containerkörbe (so nenne ich sie mal) sind alle weg. Jetzt stehen nur noch diejenigen, die ich als trapezförmig bezeichne und die auch sonst bekannt sind. Die „Zimmercontainer“ mit dem Baubüro und der Toilettencontainer bleiben stehen und werden nur (im Herbst?) umgestellt. Das neue Gerüst, das für die Fassade und für die Fenster näher am Gebäude stehen muss, ist aufgebaut. Das rief auf der Südseite ein Problem hervor. Als Zufahrt nutzte die Firma das Grasstück hinter dem Gebäude. Aufgrund des aufgeweichten Bodens sieht das jetzt aus wie ein Kartoffelacker mit tiefen Furchen, in denen jetzt auch noch das Wasser steht. Eigentlich nicht gravierend, wenn es sich nicht um den südlichen Fluchtweg handeln würde. Das wäre Stolpern und Ausrutschen vorprogrammiert. Nicht zu der Zeit, denn es sind ja gar keine Schülerinnen und Schüler da, die da den Fluchtweg nutzen können müssten. Dennoch muss da nachgearbeitet werden!

Tag 562 der Baustelle

Das schriftliche Abitur des Jahres 2021, inzwischen unser fünftes ist rum. Erneut ist alles gutverlaufen, alle Prüflinge waren erschienen, so dass keine Nachprüfung stattfinden muss. Entgegen aller Mutmaßungen, auch in den Medien, wird dies kein Corona-Abitur sein. Es war eine ganz reguläre Prüfung ohne inhaltliche Einbußen. Festzustellen war lediglich, dass es in der kleinen Turnhalle mit Abständen geschrieben wurde. Sonst war alles wie immer.

Tag 560 der Baustelle

Ein absolutes Novum war heute meine erste Zeugniskonferenz per Video. Derzeit ist immer noch eine Stufenleiterstelle nicht besetzt, so dass ich die Konferenz des achten Jahrgangs vertretungshalber übernahm. Eigentlich nichts Spektakuläres, denn zusammengerechnet habe ich bestimmt nahezu fünfzig auf meinem Konto. Eine Videokonferenz war allerdings bisher nicht dabei. Voila, dann eben auch das noch in meinem letzten Jahr. Technisch verlief sie problemlos. Die Noten waren vorher zwar mehrfach kontrolliert worden, aber dennoch gab es einige wenige Änderungen. Aber was sind das für Veranstaltungen, welche die Kolleginnen und Kollegen von irgendwoher per Kamera auf den Bildschirm bringt. Nein, das hohe Lied der Präsenz stimme ich auch hier an, nicht nur für den Unterricht.


Die bisher erschienen Bücher sind erhältlich im: www.littera-verlag.de/Bücher
(Das Autorenhonorar kommt dem Förderverein der IGS zu Gute.)

Tagebuch_6 Soeben erschienen
„Schulleiters Tagebuch 6,
Die Baustelle und Corona“
2021


Letztens 2 „Letztens 2 - ,
Erlebtes rund um die Schule“
2020

Tagebuch 5
„Schulleiters Tagebuch 5,
Warten auf den Bau“
2017 – 2019

Letztens 1 „Letztens –
Schulleiters Tagebuch ergänzende Kolumnen“

tagebuch_4_ "Schulleiters Tagebuch 4,
Der Weg zum Abitur
2014 - 2017"

Tagebuch 1-3"Deshalb IGS -
Positionen und Hintergründe zur Integrierten Gesamtschule mit Beiträgen aus Schulleiters Tagebuch 1 bis 3"

Tagebuch 3 "Schulleiters Tagebuch 3,
Die ersten Abschlüsse,
2012 - 2014"

Tagebuch 2 "Schulleiters Tagebuch 2,
Der Start in Deidesheim,
2010 - 2012"

Tagebuch 1 "Schulleiters Tagebuch,
Der Start in Wachenheim,
2010 - 2012"