Schulleiter a.D. Dumonts Tagebuch
Montag, 28. Juni 2021
Tag 716 der Baustelle
Zu diesem komischen und verzwickten Jahr passt das ganz genau: Ich hatte den Eintragsschluss für die Zeugnisnoten nicht auf dem aktuellen Schirm. Nicht, dass ich jetzt in Not gerate, die Einzelnoten sind alle unter Dach und Fach, aber ich habe es mir angewöhnt, die Noten mit allen einzelnen Schülerinnen und Schüler zu besprechen. Dann gibt es keine Enttäuschung am Zeugnistag und jede/r weiß dann, wie ich zu eben dieser Note gekommen bin. Das stand heute im Vordergrund und wird auch in den anderen beiden Fünferklassen diese Woche der Fall sein.
Nach dem Standortwechsel sah und vor allem hörte ich den großen Bagger in Aktion. Mit der breiten Baggerschaufel hatte er bereits am Rohbau den doch recht breiten Graben begonnen: etwa drei Meter breit und knapp zwei Meter tief. Ja, ja, wir haben es immer wieder gesagt: Die Schule steht in einem ehemaligen (?) Feuchtgebiet. Also lief der Graben in seinem tiefsten Teil gleich voll mit Wasser. Später sah ich, dass Sand oder dunkle Erde den Boden des Loches bedeckt. Das wirkte dann doch trocken – seltsam. Am Schreibtisch sah ich den Bagger nicht mehr, ich hörte ihn auch kaum, aber ich spürte ihn. Immer, wenn er die große Schaufel auf die Betondecke runterfallen ließ, um sie zu zertrümmern, wackelten bei uns im Büro die Bildschirme. Ich wurde gefragt, ob das Gebäude diesen Erschütterungen standhalten wird. Woher soll ich denn sowas wissen? Klar, wenn was passieren würde, träten die Juristen auf den Plan, ob der Schulleiter nicht hätte…aber darüber dachte ich gar nicht nach. Sehr wohl aber diskutierte ich mit den Hausmeistern, was mit dem Fluchtweg aus der Mensa geschehen sei. Denn die abgrenzenden Baugitter waren verschoben, den Fluchtweg gab es nicht mehr. Im Brandfall müssten alle das Gebäude durch den normalen Ausgang verlassen. Was aber ist zu tun, wenn dieser einzige Zugang verraucht, verbrannt oder sonst was ist? Vorgeschrieben sind daher immer zwei Fluchtwege. Das teilte ich sogleich dem Schulträger mit, denn die Verantwortung für die Fluchtwege liegt neben dem Schulleiter auch in der Zuständigkeit des Schulträgers, aktuell eben bei der Bauabteilung. Ich bekam aber lediglich die Antwort, wir müssten da jetzt für eine Übergangszeit von ein, zwei Tagen durch. Nun ja, dachte ich mir, die Mensa liegt im Erdgeschoss und sollte es im Treppenhaus irgendwie brennen, könnten die Kids ja immer noch aus den Fenstern in den Werkräumen aussteigen, ohne sich die Knochen zu brechen.