Schulleiter a.D. Dumonts Tagebuch

Mittwoch, 14. Juli 2021


Tag 732 der Baustelle

Was macht der große Bagger auf wie der eh raren Parkplätze? Gut, dass ich so früh dran bin, da sind noch ausreichend Plätze frei. Später wird sich mancher wieder ärgern, weil er weiter weg parken muss. Später beobachtete ich, dass der große Kipper mit einer neuen Ladung Sand in der Baustelle stand. Ach ja, ich glaube heute war doch der Termin für das „Einsanden“ des Anschlussgrabens. Jetzt fuhr auch der Bagger an und kippte Schaufel für Schaufel in den Graben. Drinnen standen zwei Bauarbeiter und verteilten den Sand so, dass nur die Oberfläche der schwarzen Fernwärmerohre noch zu sehen war. Schnell war der Sandhaufen weg, da kam ein kleinerer Kipper und brachte Nachschub für den Estrich. Von den zehn Paletten mit Estrichsand waren bereits acht schon verarbeitet. Den ganzen Tag über hörte ich das Brummen der Mischmaschine, doch der Ziehharmonika-Schlauch geht immer noch in die zweite Etage hoch. Da staunte ich doch, wieviel Estrich da ausgebreitet werden muss. Denke ich aber an die Betonfläche nach den letzten Sommerferien, ist die Fläche, die mit Estrich bedeckt werden muss, ungleich kleiner, denn die Wände des Rohbaus nehmen davon nicht viel weg. Das Brummen wird daher die nächsten Tage wohl noch andauern.

Dennoch widmete ich mich dem Telefon. Zunächst sollte ich die Polizeiinspektion in Bad Dürkheim zurückrufen, einziger Hinweis: es sei nichts passiert. Wenn wir bisher miteinander telefonierten, war irgendetwas im Busch. Und dann die Überraschung: Unser Jugendbeamte wollte sich nur von mir verabschieden. Er habe von meiner Pensionierung gehört und wollte sich für die jahrelange Zusammenarbeit bedanken, die nicht überall so gelungen sei. Es folgte ein zweites Telefongespräch. Dieses Mal mit dem Bürgermeister. Es ging um den Turmschreiber in Deidesheim und seinen Besuch im September. Die Schule sei fest eingeplant. Ob ich noch eine Idee für eine Lesung habe. Bevor der Turmschreiber in Neustadt in einer Buchhandlung lese, sei doch zuerst der Landkreis dran. Ich schlug „meine“ Buchhandlung vor und sandte gleich im Anschluss die Kontaktdaten ins Rathaus. Mal abwarten, was daraus wird.  Ich erfuhr auch, dass laut Satzung der Frank-Lyden-Stiftung ein Kuratoriumsmitglied so lange berufen sei, bis ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin berufen werde. Schön, dann müssen wir uns ja gar nicht groß verabschieden und werden uns noch sehen.

Das Verwaltungsprogramm macht immer neue Mucken. Eintragungen gehen verloren, Zeugnisbemerkungen tauchen nicht auf. Es ist mir unverständlich, dass ein solches Programm landesweit an Schulen eingesetzt wird, welches  so viele Mängel aufweist. Da wäre eine professionelle Programmierfirma, die sich auskennt, das eingesparte Geld vermutlich wert gewesen. Jetzt war es vielleicht günstiger und alle hängen an den Problemen rum und verbringen viel wertvolle Zeit damit, die Fehler zu suchen und zu korrigieren (wenn sie denn gefunden werden!).

Zwei weitere Anrufe warteten auf mich. Zunächst beim Möbelausstatter des Landkreises. Was macht die Planung des Sekretariats. Er wollte sich doch nochmal melden und mitteilen, ob der Kreis unsere Ideen finanziert oder ob wir abspecken müssen. Die gute Nachricht lautet: Die Schreibtische sind „durch“, jedenfalls wurden die Bodenkanäle für Netzanschlüsse nach unseren Vorgaben gelegt, immerhin ein erster Schritt. 

Und dann noch ein letztes Telefoninterview mit der Tageszeitung. Die freie Mitarbeiterin solle einen Artikel über die schulischen Auswirkungen der Pandemie schreiben, welches meine Erfahrungen seien, ob inhaltlich, also viel Stoff, versäumt wurde. Ich versuchte zu betonen, dass alle Rückmeldungen darauf hinausliefen, dass die sozialen Ausfälle viel stärker wirkten, dass keine Kontaktmöglichkeiten zu Gleichaltrigen bestünden hätten, dass eine Strukturierung der Tagesabläufe beeinträchtigt gewesen sei und dass gewohntes Leben aus dem Rhythmus kam. Das sei jetzt auch zu spüren, wo die ganzen Klassen wieder in der Schule seien. Da müssten Gesprächsregeln neu betont, Arbeitsabläufe nochmals eingeschliffen und Strukturen innerhalb des Unterrichts neu erarbeitet werden. Die Frage, die mir Redakteurin stellte, ziele auf eine Vorstellung von Unterricht ab, die so nicht zutreffe. Auch im Regelunterricht ohne Pandemie sei es doch nicht so, dass wir etwas durchgenommen haben (schon dieser Begriff orientiert sich am Stoff und nicht am Kind!) und mit dem Durchgenommen sei davon auszugehen, dass „der Stoff“ bei den Kindern dauerhaft angekommen sei. Die Hirnforschung belege doch hinlänglich, dass nur das behalten wird, was von Interesse ist. Alles andere könne man pauken, bei einer Klassenarbeit abrufen – und dann wieder vergessen. Selbst der reguläre Unterricht setzt doch auf ständiges Wiederholen, spiralförmigen Wissensaufbau. Und in der Oberstufe? Auch da beginnt die elfte Klasse doch zunächst mit Wiederholungen, um das für die Oberstufe Wichtige wieder präsent zu haben. Und gerade die jungen Erwachsenen in der Oberstufe müssen die ganze Zeit Lücken selbstständig schließen lernen. Vielleicht, das räumte ich ein, sei es lediglich in den Fremdsprachen so, dass die Sprachpraxis fehle. Aber selbst diese könne mit allen Vokabeln aufgeholt werden, indem sie stärker in den Vordergrund des Unterrichts gerückt würde. Und, so behauptete ich, hätten Schülerinnen und Schüler (und im Übrigen auch wir Lehrkräfte) während dieser Monate Kompetenzen erlernt, die wir alle ohne die Pandemie kaum in diesem Ausmaß erworben hätten. Diese gelte es jetzt, gerade im digitalen Bereich, weiter auszubauen und zu nutzen. Corona hat die Schule stark verändert, sei aber nicht nur ein Debakel gewesen. Da sei sehr viel Panikmache, Schwarzmalerei und Ängstlichkeit am Werk. Ich glaube, ich verfiel wieder etwas in den Predigerton und offen ist, was alles von dem, was ich gesagt habe, in dem Artikel auftauchen wird. Denn ich hatte das Gefühl, dass sie etwas ganz Anderes hören wollte. Ich bin also sehr gespannt.

Am Nachmittag startete dann in der Tat meine letzte Sitzung mit dem Schulleitungsteam. Normale Themen, Schulleitung mit Blick auf die restlichen Tage, vor allem auf Zeugnisse, und mit dem Blick ins neue Schuljahr. Und irgendwann kamen wir an einen Punkt, von dem hieß, dass kommende Pensionäre jetzt nicht mehr zugelassen seine. Was die da wohl ausbaldowert haben? Ich werde es wohl bald erfahren.

Derzeit werden drei der grauen Betonwände farblich gestaltet. Von den zweien, welche der Deidesheimer Jugendtreff gestalten, habe ich schon gesprochen. Im Ganztagsbetrieb entstand ja die Idee mit den Liebesschlössern. Ich berichtete bereits davon. Inzwischen nimmt die Gestaltung eine etwas andere Form an. Letzte Woche las ich, das Original vergrößert an die Wand gepinselt, die Worte: Jeder kann was prima machen. Farbige Silhouetten der Ganztagskinder waren schon hinzugekommen. Heute wurden quasi die Notenlinien aus Eisenstäben angebohrt und verschweißt. Das sieht phantastisch aus. Und wie schön ist es, dass dieses kleine Schullied dadurch präsent bleibt. Ich weiß ja nicht, wie oft es künftig gesungen wird. Untergehen kann es jetzt nicht mehr so schnell, es sei denn, die schöne Gestaltung würde überpinselt. Das wäre mehr als schade!


Die bisher erschienen Bücher sind erhältlich im: www.littera-verlag.de/Bücher
(Das Autorenhonorar kommt dem Förderverein der IGS zu Gute.)

Tagebuch_6 Soeben erschienen
„Schulleiters Tagebuch 6,
Die Baustelle und Corona“
2021


Letztens 2 „Letztens 2 - ,
Erlebtes rund um die Schule“
2020

Tagebuch 5
„Schulleiters Tagebuch 5,
Warten auf den Bau“
2017 – 2019

Letztens 1 „Letztens –
Schulleiters Tagebuch ergänzende Kolumnen“

tagebuch_4_ "Schulleiters Tagebuch 4,
Der Weg zum Abitur
2014 - 2017"

Tagebuch 1-3"Deshalb IGS -
Positionen und Hintergründe zur Integrierten Gesamtschule mit Beiträgen aus Schulleiters Tagebuch 1 bis 3"

Tagebuch 3 "Schulleiters Tagebuch 3,
Die ersten Abschlüsse,
2012 - 2014"

Tagebuch 2 "Schulleiters Tagebuch 2,
Der Start in Deidesheim,
2010 - 2012"

Tagebuch 1 "Schulleiters Tagebuch,
Der Start in Wachenheim,
2010 - 2012"